Pflichtteilsergänzungsanspruch oder Zusatzpflichtteil

Künftige Erblasser, die jemanden aus ihrem nächsten Umfeld enterben, haben hierfür natürlich ihre Gründe, in den seltensten Fällen werden diese allerdings vom Gesetzgeber als Pflichtteilsentziehungsgründe nach § 2333 BGB akzeptiert. Nichtsdestotrotz wird immer wieder versucht, das Pflichtteilsrecht zu umgehen. Erblasser verschenken im Zuge dessen ihr Vermögen bereits zu Lebzeiten oder enterben die betreffende Person nicht, sondern hinterlassen ihr einen geringen Erbteil. In beiden Fällen schreitet der Gesetzgeber gegebenenfalls ein und trägt so dafür Sorge, dass das Pflichtteilsrecht auch Anwendung findet.

Wann werden Schenkungen angerechnet beim Erben?

Vielen juristischen Laien ist nicht bewusst, dass Schenkungen unter bestimmten Voraussetzungen auch im Rahmen einer Erbschaft angerechnet werden, und glauben deshalb, sie könnten so beispielsweise das Pflichtteilsrecht austricksen. Dem ist allerdings nicht so, denn bei der Kalkulation des Pflichtteils können auch Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten vorgenommen hat, berücksichtigt werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Schenkung innerhalb der letzten zehn Lebensjahre des Verstorbenen vorgenommen wurde. Länger zurückliegende Schenkungen bleiben dahingegen unberücksichtigt. Wer glaubt, dem Tode nah zu sein und noch rasch den Pflichtteilsansprüchen seiner Pflichterben entgegenwirken möchte, hat hierzu keine Chance mehr, da Schenkungen, die innerhalb von zehn Jahren vor Anfall der Erbschaft erfolgen, verschaffen den Pflichterben Pflichtteilsergänzungsansprüche. Diese ergeben sich aus der Differenz des Pflichtteils, den sie im Erbfall erhalten, und dem Pflichtteil, der ihnen ohne die Schenkung zugestanden hätte. Hierbei kommt jedoch ein sogenanntes Abschmelzungsmodell zum Einsatz, so dass der Zeitpunkt der Schenkung darüber entscheidet, in welchem Maße diese hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs und der gesamten Erbschaft von Belang ist.

Pflichtteilsberechtigte Erben können zudem unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend machen. Dies trifft zu, wenn sie zwar im Rahmen der Verfügung von Todes wegen als Erben eingesetzt, aber lediglich mit einer geringen Erbschaft bedacht wurden. In diesem Fall steht dem Pflichterben die Differenz zwischen dem Erbe und dem Pflichtteil in Form eines Zusatzpflichtteils zu. Angesichts dieser Regelungen haben künftige Erblasser praktisch keine Chance, ihre Pflichterben gänzlich von der Erbfolge auszuschließen.

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